Sonntag, 15. Mai 2016

"The Aliens": Eine Alien-Serie, mit gar nicht mal so vielen Aliens | Staffel: 1

GB / 2016 / 6 Episoden á 55 Minuten / FSK: 16 / Genre: Sci-Fi, Drama / Bildrechte bei: E4


Nicht alle Aliens wollen nach Hause telefonieren, wie Fintan Ryans neue von Clerkenwell Films produzierte Serie „The Aliens“ nur zu gut zeigt. Die machen es sich nämlich mit dem Sprung in das aktuelle Geschehen der Serie seit knapp 40 Jahren in Großbritannien gemütlich und haben sich auch weitestgehend eingelebt. Wer nun aber denkt, dass Aliens und Menschen Hand in Hand die Tage bestreiten, hat sich gewaltig geirrt.

Der britische Sender E4 hat sich in der Vergangenheit zwar ordentlich Material aus den Staaten zukommen lassen („How I Met Your Mother“, „Smallville“, „Scrubs“…), aber auch nie außer Acht gelassen, was für Stärken innerhalb der eigenen Landesgrenzen zu finden sind. Mit „Skins“, „The Inbetweeners“, „Shameless“ oder auch „Misfits“ hat man Serien ins Leben gerufen, von der auch gerne mal der große amerikanische Bruder inspiriert wurde. Mit „The Aliens“ soll diese erfolgreiche Reihe von Eigenproduktionen fortgesetzt werden.

Grenzpatrouille Lewis (Michael Socha, „This Is England“) versucht in der fiktiven Stadt Troy dafür zu sorgen, dass es zwischen Mensch und Alien zu keinen Konfrontationen kommt. Das läuft aber nur minder gut, denn als seine Schwester Geldprobleme mit der anderen Rasse bekommt, geht es mit seiner Entdeckung, dass er ebenfalls Halb-Alien ist, plötzlich steilbergab. Dass er sich ausgerechnet schon länger in eine der ausserirdischen Damen (Michaela Coel, „Chewing Gum“) verguckt hat, hilft der Situation auch nicht unbedingt weiter.

Fintan Ryan hat für die BBC bereits die Serie „In the Flesh“ (2013) geschrieben, in der es um eine dramatische Zombieapokalypse geht. Dass er nun zu Aliens über geht, ist deswegen ein interessanter Schritt, da er mit „In the Flesh“ übermäßig gute Stimmen der Kritiker sammeln konnte. Auch „The Aliens“ setzt auf Dramatik und lässt durch die Tatsache, dass die Aliens nicht wie klischeehafte Aliens, sondern wie normale Menschen aussehen, ein Gefühl der Gesellschaftskritik durch. Denn die Besucher aus dem All werden in eine Art Ghetto verschoben, aus dem sie sich nur mit besonderen Auflagen entfernen dürfen. Drogenhandel ist da nicht fern und wird in Form von Alien-Haaren, die neue Abhängigkeitsdroge der Menschen und Waschpulvertabletten, das Ecstasy der Weltraumdurchquerer eingebunden. Warum genau eine Art, die die Fähigkeit hat, sich durch das weite All zu uns zu bewegen und dann in einer derart traurigen Situation festhängen bleibt, ist nach der ersten Folge noch nicht klar gewesen.
Regisseur Jonathan van Tulleken war bereits in „Misfits“ involviert und hat dort einige Folgen der dritten und vierten Staffel inszeniert. Leider waren es genau diese Staffeln, bei denen die Qualität spürbar nach unten gesunken ist. Auch in „The Aliens“ fühlt man nicht diesen hundertprozentigen Ehrgeiz, der bei der ersten Episode einer Serie unbedingt da sein sollte. Wichtig dafür ist vor allem ein Storystrang, der einen mitreisst und im besten Falle mit einem Cliffhanger zurücklässt. Hier aber passieren Sachen einfach so, weil die Geschichte in 40 Minuten eben irgendwie weiter gehen muss, aufregende Twists sucht man leider vergebens. Beinahe gleichgültige Dialoge bestätigen das Ganze dazu und lassen vor allem Michael Socha und Michaela Coel völlig unter ihrem Potenzial arbeiten. Neben den Darstellern darf sich auch David Higgs und seine Kamera zu den positiven Eigenschaften der Serie gesellen, der turbulente Verfolgungsjagden geschmeidig ablaufen lässt und mit Szenenshots aus einem Aquarium heraus mal etwas neues und ungewohntes wagt. Davon darf gerne mehr kommen.

Gut tun würde „The Aliens“ das dazuholen des Elementes „Comedy“. Für ein reinrassiges Sci-Fi-Drama war die erste Staffel nämlich vor allem eines: Zu flach. All zu schlimm wäre das nicht, wenn man wenigstens mal etwas zu lachen hätte. Ein, zwei Schmunzler wurden in wenigen Momenten bereits eingebaut und haben meiner Meinung nach beinahe die Highlights dargestellt. Eine eher traurige Bilanz. Möchte man es jedoch genau so belassen, wie es derzeit ist, nämlich ein Gesellschaftsdrama, muss etwas mehr Liebe zum Detail kommen.
 
 5.0/10

Samstag, 14. Mai 2016

"Mad Dogs (US)": Vier Freunde auf Selbstzerstörungstrip | Staffel: 1

US / 2015-2016 / FSK: 18 / 10 Episoden á 55 Minuten / Genre: Comedy, Krimi, Drama / Bildrechte bei: Amazon

Amazon Prime kanns wie Netflix und produziert was Großes. Das Komödiencrimedrama „Mad Dogs“ von „The Shield“-Schöpfer Shawn Ryan überzeugt vor allem mit einem: Seiner Skurrilität.

Es gibt Urlaube, die man einfach abbrechen möchte. Sie sind selten, doch sie existieren. Sie beginnen damit, dass die Dame an der Rezeption im All-Inclusive-Hotel mitteilt, dass trotz der Buchung kein Platz mehr ist. Es geht weiter mit Animateuren die einen ständig animieren möchten und hört mit den eigenen Kindern auf, die man sich nun mal selbst zu verdanken hat. Doch wenn du denkst, dass das schlimm ist, warst du mit den „Mad Dogs“ noch nicht in Zentralamerika.

„Have you enjoyed Belize?“ Wird Cobi (Steve Zahn, „Dallas Buyers Club“) im Finale der Staffel gefragt. „Sure…uh, well, a bit mixed to be honest.“ Eine sehr bescheidene Antwort, für die wohl verrückteste Reise seines Lebens. In beinahe harmonischen Szenen wird der Trubel der letzten Folgen vergessen und entlässt den Zuschauer dennoch mit einem Knall, auf dessen Hall man wohl vergebens warten wird. Denn „Mad Dogs“ wurde direkt wieder eingestampft. Sollte man sagen leider?

Dass diese Reise so abstrus wird, wie man es am Ende dann erst mal zu verdauen hat, hätte man nach den ersten Minuten im Geschehen nicht unbedingt gedacht. Zwar setzt eine Serie, die bereits in der ersten Folge einen kleinwüchsigen Killer, mit einer beängstigenden Katzenmaske einführt, gewisse Maßstäbe, doch hat man damit gerade einmal die Spitze des Eisberges namens „Mad Dog“ gesehen. Die vier Freunde Lex (Michael Imperioli, „Die Sopranos“), Gus (Romany Malco, „Weeds“), Joel (Ben Chaplin, „Der schmale Grat“) und Cobi, die eigentlich nur ihren alten Freund Milo (Billy Zane) in seiner Prachtvilla in Belize besuchen wollten, um alte Collegetage wieder aufleben zu lassen, erleiden nämlich so einiges Richtung ‚schlimmster Urlaub überhaupt‘. Im Laufe der 10 ca. einstündigen Folgen rennen die Jungs irrsinnigen Drogenhändlern, korrupten Polizisten, amerikanischen Agenten und einer Menge anderer Problemen über den Weg, denen sie dank ihrem Talent für schlechte Entscheidungen nie unbeschadet entfliehen können. Kennst du diese Szenen, in denen du den Charakteren zuschreien möchtest, was sie gefälligst logischerweise zu tun haben? Hier gibt es einige davon. Dazu vergeht beinahe kein Moment, ohne gegenseitigem Vorhalten von missglückten Lebensereignissen, die bereits ewig weit in der Vergangenheit liegen. Diese werden vor allem gerne dann eingebaut, wenn es besonders brenzlig wird. Es passieren Psychoanalysen zwischen Kugelgewittern, die mit anfänglicher Skepsis gleichwohl in Charme um münden. Denn eines muss man sagen: es wird nie anstrengend, es macht nie wütend. Das liegt an der überwältigenden Chemie die innerhalb der Gruppe herrscht. Sie spielen ihre Rollen mit so viel Überzeugung und Können, dass man sie selbst in zweifelhaften Szenen niemals in Frage stellen möchte. In Kombination mit grandiosen Gastauftritten von unter anderem Onahoua Rodriguez („The Shield“), Allison Tolman („Fargo“) oder auch Coby Bell („The Game“) ergibt das ein Gesamtpaket, dass man nur schlecht nicht mögen kann.


Wichtig dafür ist die Echtheit, die man von jedem von ihnen spürt. Nie kommt es zu einer aufgeblasenen Zeichnung von einem Klischee-Gangster oder Problemen die absolut an den Haaren herbeigezogen wirken. Nie wurden die Handlungsorte Belize und Umgebung (Guatemala, Mexiko) in einem Extrem als Urlaubsparadies oder Drogenhauptquartier verkauft. Hier spielt sich eine Geschichte von durchschnittlichen Mitte-vierzig-Männern ab, die zwischen tollen Stränden, verstörendem Dschungel und einer komplett anderen Gesellschaft umzingelt sind und dessen Aufgabe es ist, sich da irgendwie heraus zu navigieren.

Die Produzenten Shawn Ryan und Cris Cole (bereits an der britischen Fassung von „Mad Dogs“ beteiligt) vermitteln damit ein einzigartiges Erlebnis. Es herrscht eine gewisse Grundatmosphäre, die Ryan schon bei seiner meisterhaften Erfolgsserie „The Shield“ hat einfließen lassen. Dazu kommen kleine Humorbrocken, die immer wohl dosiert wirken und das Drama der Lage nie herunter brechen. Ich muss zugeben – am Anfang ist es schwer, mit dem Konzept dieser Serie klar zu kommen. „Mad Dogs“ ist anders. Doch von diesem ‚anders‘ möchte man schnell mehr. Man möchte den Chaoten weiter dabei zu schauen, wie sie auf unglaubliche Weisen scheitern und ihre fragwürdige Freundschaft auf die Probe stellen. Und das immer wieder. Sicher dürfte, wenn es nach mir geht, mehr davon kommen. Doch das Ende war in seiner abgeschliffenen Detailarbeit absolut befriedigend, so dass eine zweite Staffel aufgrund des offenen Finales zwar kommen könnte, aber nicht dringend muss. Der Pilot war einnehmend, die letzten Sekunden erstaunlich.

Guten Urlaub zu machen ist nicht immer schwer. Manchmal reicht eine Serie wie „Mad Dogs“, mit der man, dank ihrem Binge-Watch-Potenzial, für ein paar Stunden komplett woanders ist und den Alltag auf eine eigenartige Weise vergessen lässt. Einen Alltag, den die „Mad Dogs“ sich, während sie in ihrem Abenteuer feststecken, schnell wieder sehnlichst herbei wünschen. 
8.5/10

Freitag, 13. Mai 2016

"Flaked": Will Arnett auf depressiver Sonnenreise in Venice Beach | Staffel: 1

US / 2016 / FSK: 16 / 8 Episoden á 45 Minuten / Genre: Dramedy / Bildrechte bei: Netflix


„Arrested Development“-Star Will Arnett kopuliert einmal mehr mit Netflix - doch das entstandene Baby stößt bei Kritikern auf wenig Liebe. Woran liegt’s und wie gut ist die neue Dramedy „Faked“ denn nun? Unser Autor Kevin Hennings hat sich das mal genauer angeschaut.

Wenn es zwischen braungebrannten Topmodels an wunderschönen Stränden, die umzingelt sind von Hipster-Cafés, zu einem Clash mit der nicht immer ganz so gut aussehenden Realität kommt, befinden wir uns mitten in „Flaked“. Willkommen in Chips Leben. Als selbsternannter Motivator, der alleine gelegentlich Antriebskraft benötigen könnte, dümpelt er in der vermeintlich perfekten Umwelt seinem Dasein hinterher. Schauen wir in den acht halbstündigen Episoden von „Flaked“ wirklich nur einem halbdepressiven Kerl dabei zu, wie er seinen Alltag bestreitet?

Der Titel macht deutlich, welche Person Will Arnett als Chip darstellt. Als ein „Flake“ (zu deutsch: Niete) ist er ein absolut unzuverlässiger Mensch, der dafür sorgt, dass er so gut wie immer zu spät am Treffpunkt ist – oder überhaupt nicht erscheint. Ein Individuum, dass sich mit smarten Halbwahrheiten seinen Weg bahnt und da auch vor eigentlichen Freunden keinen Halt macht. Dennis (David Sullivan, „Argo“) ist einer dieser Freunde, der immer wieder damit klar kommen muss, dass Chip ihm seine Traumfrauen ausspannt. Mit Cooler (George Basil), der sich als Stand-Up-Comedian versuchen möchte, aber selbst sagt, dass er unlustig ist, wird das chaotische Dreiergespann komplettiert. Die Frauenquote wird mit Ruth Kearney („Primeval“) als London erfüllt, die außer einem dahinschmelzendem Lächeln aber noch nicht viel zu bieten hatte. Bis auf hübsch da stehen wurde ihr ansonsten keine Aufgabe erteilt. Die Grundvoraussetzung hört sich nach Sitcom-Material an, doch genau das will „Flake“ gar nicht sein. Die Serie pendelt permanent zwischen Drama und Komödie. Es entsteht eine Dramedy, die leider nicht funktioniert. Noch nicht. Denn Potenzial ist einiges zu sehen. Das ist dennoch besonders deshalb schade, weil man angesichts der prominenten Mannschaft hinter „Flaked“ einfach mehr erwartet hätte. Kennen Sie diese Serien, die man in der Hoffnung auf Besserung weiterschaut? So geht es einem hier. Leider wird die erwartungsfrohe Einstellung nicht ganz belohnt, dafür wird zu unkonstant zwischen unterhaltsamen Dialogen und Leerlaufszenen geschwankt.


Die Welt kann manchmal so grausam sein – obwohl „Arrested Development“ ein Liebling bei den Kritikern war, wurde die Serie, bei der es laut eigener Aussage um nichts weiter als „über eine wohlhabende Familie, die alles verloren hat, und über einen Sohn, der nicht anders konnte, als sie alle zusammenzuhalten“ ging, nach drei Staffeln eingestellt. Netflix jedoch schien zu der kleinen aber loyalen Fan-Gemeinde zu hören und gab ganze sieben Jahre später bekannt, 15 weitere Episoden und somit eine ganze neue Staffel zu produzieren. Es war einer dieser PR-Coups die dem neuen Streaming-Dienst besonders in den USA viel Aufmerksamkeit bescherte.Will Arnett kehrte damit in seiner Rolle als trügerischer Möchtegern-Magier auf die Bildschirme zurück und tritt somit auch erstmals in die Dienste von Netflix. Ein Arrangement, dass wohl nicht all zu schlecht laufen kann, wie das Leihen seiner Stimme für „BoJack Horseman“, ebenfalls eine Netflix-Produktion, zeigt. Aller guten Dinge sind zumindest in der Theorie drei und mit „Flaked“ darf er nun eine Hauptrolle antreten, die die meiste Screentime in der Serie einnimmt. Vom täuschenden Berufszauberer und dem Promipferd weg, hat er dieses Mal eine etwas bodenständigere Rolle zu bewältigen.

Interessant ist, dass sowohl Executive Producer Mitchel Hurw
itz, der als Schöpfer hinter „Arrested Development“ steht, als auch Autor Mark Chappell („The Increasingly Poor Decisions of Todd Margart“) eigentlich aus einer anderen Ecke kommen. Ein ernsthafteres Format wie dieses gehört nicht zum Arbeitsalltag der beiden. Somit seien anfängliche Fehler vielleicht zu verzeihen, denn dass diese Männer Ahnung vom Geschäft haben, bewiesen sie bereits zum Ende der ersten Folge hin, wo mit einer rein musikalisch unterlegenen Szene Revue geschehen lassen und Kunst in Reinform abgeliefert wird.

Erschreckend ähnlich hat man das aber schon einmal gesehen. In „Californication“ hat David Duchovny („Akte X“) einen ebenfalls, sagen wir mal, nicht ganz so einfachen Charakter. Auch er hat einen Hang zu jüngeren Frauen, hat eine gewisse Abneigung gegen moderne Technologie und ist genauso selten auf der Höhe des Geschehens. Doch Hank Moody wurde damit zu einer Art Kultfigur der neuen Generation. Das wird „Flaked“ so zahm wie es bisher geschah nicht gelingen. Einfach mal mehr trauen ist da die Devise. Bisher wirkt „Flaked“ genau wie sein Intro: Minimalistisch, sympathisch, auf Dauer aber potenziell einfach zu blass.

 6.5/10

Donnerstag, 12. Mai 2016

"The Ranch": Ein Hauch von "Die wilden 70er" und stumpfe Gags im Hinterland | Staffel: 1

US / 2016 / FSK: 16 / 13 Episoden á 33 Minuten / Genre: Comedy, Drama / Bildrechte bei: Netflix


Ob Netflix womöglich ganz viel Feedback bekam, das ausdrücklich nach einer Sitcom in Country getränkter Atmosphäre gebeten hat? Oder sah man möglicherweise das riesige Potenzial, das sich inmitten der vereinigten Staaten in Kansas, Oklahoma, Texas und Co. tummelt? Dort lebt nämlich noch das Bürgertum, das den ‚American Dream‘ für sich ganz eigen interpretiert: Abseits vom ganzen Trubel seine eigene Farm besitzen, den ein oder anderen Whiskey exen und über die Demokraten schimpfen. Mit der neuen Sitcom „The Ranch“ dürfte man bei Menschen, die diesen Lebensstil pflegen und mögen, auf eine Menge Freude stoßen. Hier wird das Thema nämlich bis ins kleinste Detail zelebriert: Country-Song im Intro, teilweise sehr seichte Gags, die man angetrunken am besten versteht in der Mitte, etwas Hinterlandsdrama hier und da und ein Country-Song am Ende. Doch wie gut funktioniert das in Deutschland?

Ashton Kutcher spielt in „The Ranch“ Colt Bennett, einen gescheiterten halb-professionellen Footballspieler, der ohne richtigen Plan zu seiner Familie auf die Ranch nach Colorado zurückkehrt. Dort trifft er auf seinen Bruder Rooster (Danny Masterson) und seinen Vater Beau (Sam Elliott), den er seit 15 Jahren nicht mehr gesehen hat. Die von Debra Winger gespielte Mutter der zwei Brüder betreibt die örtliche Kneipe. Ab sofort heißt es: Mit dem Traktor auf den Landstraßen fahren, auf Hirsche schießen und Selbstgebranntes genießen.

Ein einfaches, für eine Sitcom typisches Setting. Doch an einer Schraube wurde gedreht: Man weicht von der klassischen 20-Minuten-Laufzeit ab und erweitert auf etwas über 30 Minuten. Ein Unterfangen, das dem klassischen Sitcom-Zuschauer Bauchschmerzen bereiten könnte. Sitcoms sind doch dafür da, wenn man etwas kurzes und knackiges haben möchte, verdammt! Doch alles halb so wild, hat man die Extrazeit doch äußerst positiv genutzt. So entstehen auch mal drei-minütige Gespräche, die gar nicht auf eine Pointe aus sind, sondern einfach mal eine sich echt anfühlende Situation geschehen lassen wollen. Dadurch entwickeln sich, auch wenn es selten ist, für das Format überraschend tiefgründige Szenen. Die sind aber auch bitter nötig, würde man in dem Strom flacher Südstaatengags und Stereotypen ansonsten hilfeschreiend ertrinken. Unfassbar penetrant werden da vor allem die flachen Obama-Gags, die im Zusammenspiel mit dem Al Gore-Bashing für ein genervtes Augenrollen bei einigen Menschen sorgen könnten. Das ist nicht nur schwache Satire, sondern vor allem „ein Haufen von Scheiße, der gemacht wurde, um sie an Republikaner zu verkaufen“, wenn ich mal ein Zitat, das ursprünglich in der Serie gegen die Klimaerwärmung gerichtet ist, umdichten dürfte. Aber gut, das Bürgertum, das dementsprechend anders denkt, ist dann einfach nicht die Zielgruppe.

Es gibt dennoch ein paar Argumente für „The Ranch“. So ist vor allem der Cast, den die ehemaligen „Two and a half Men“-Showrunner Don Reo und Jim Patterson herangekarrt haben, ein Lichtblick. Kutcher und Masterson, hier außerdem auch Executive Producer, treffen knapp 10 Jahren nach dem Ende von „Die wilden 70er“ wieder aufeinander und spielen die ähnlichen Rollen, wie sie es als Kelso und Hyde getan haben. Jetzt aber in erwachsen. Kutcher bleibt der liebenswürdige Idiot, der wie ein dauergeiles Zwergkaninchen jedem Wesen mit Brüsten hinterher rennt und gleichzeitig tiefer gehende Beziehungen lächelnd abschmettert, während Masterson wieder in seinen bittersüßen Sarkasmus einsteigt, der auf ein neues für das besondere Grinsen im Gesicht des Zuschauers sorgt.

Eine denkwürdige Szene, als sein geliebtes TV-Gerät kaputt geht und er schockiert verkündet, dass „Wasser, Unterkunft und Fernsehen“ die drei Grundbedürfnisse seien. Eine gar nicht so unzutreffende Aussage für eine heutige Welt, die ohne Bildschirm scheinbar gar nicht mehr kann. Doch die eigentlichen Highlights sind das hin- und hergerissene Elternpärchen bestehend aus Beau (Sam Elliott, Erzähler bei „The Big Lebowski“) und Maggie Bennett (Debra Winger, Oscarnominiert für „Ein Offizier und Gentleman“). Sie nutzen ihre Screentime, um das altbackene Sitcom-Gehabe, das um sie herum gedreht wird, vergessen zu lassen und hieven „The Ranch“ mit ihrer Genrefremde in ein chamantereres Licht, versprühen etwas Frisches. Ihre zweisamen, emotionalen Momente machen das gewisse Etwas des Ganzen aus. Die Randfiguren bleiben allesamt ihrem Klischee entsprechend, so gibt es mit Heather (Kelli Goss) das blonde Dorfflitchen und mit Elisha Cuthbert als Abby Colts alte High-School-Flamme, die nun so unerreichbar und doch so nah scheint. Frauenrollen also, die man schon zig mal gesehen hat. Mit tollen Gastauftritten wird man von dieser Mittelmäßigkeit aber gut abgelenkt. Goldwert war Jon Cryers Auftritt, der in Alan Harper-Manier als Darlehensberater und Ex-Football-Schiedsrichter in einer Szene in einen verbalen Schlagabtausch mit seinem Ex-„Two and a half Men“-Kollegen Kutcher kommt und damit für seltenes, richtiges Lachen sorgt.

Man möchte wegen den sympathischen Gesichtern mehr Lobpreisungen für „The Ranch“ einbauen, kann es mit seinem Gewissen aber einfach nicht vereinbaren. Es ist zwar schön, dass Netflix wie bei „Fuller House“ zur klassischen Multicamera-Comedy greift, um einen Flair vergangener Tag aufleben zu lassen, doch ist mir die auffällige Glorifizierung von Alkohol und Konservativen ein bisschen zu viel geworden. Dazu verlieren die Gagschreiber sich zu oft zwischen Sternstunde und "Öhm, okay"-Momenten. So treffen einige Lachflashs auf etwas öftere Totalausfälle. Das hinterlässt den Zuschauer dann leider ziemlich nüchtern. "The Ranch" ist somit wirklich nichts, das man gesehen haben sollte. Deshalb kann man diese Sitcom ohne Bedenken links liegen lassen und es so handhaben, wie Shooter Jennings und Lukas Nelson bereits so schön in dem Intro-Song sangen: „Mammas don’t let your babys grew up Cowboys“.
4.0/10

Sonntag, 8. Mai 2016

"Marseille": Gérard Depardieu wird von seinem Kontrahenten in den Schatten gestellt | Staffel: 1

FR / 8 Episoden á ~50 Minuten / FSK: 16 / Genre: Politik, Drama / Bildrecht bei: Netflix
Gérard Depardieu ist wieder da - als Bürgermeister von "Marseille" in der ersten europäischen Eigenproduktion von Netflix. Warum der Altmeister nicht das Highlight der Serie darstellt und ob die französische Soap-Version von "House of Cards" überzeugen kann...

Frankreich hat Tausende von guten Gründen, die einen Besuch rechtfertigen würden. Sei es das überall vorherrschende Gefühl von Leichtigkeit und Liebe oder die atemberaubenden Gegenden, die von der Haupstadt Paris über ländliche Idylle bis hin zu kleinen Städtchen mit Küstencharme alles zu bieten haben. Mit überdurchschnittlich guter Fernsehunterhaltung konnte das Land international bislang nicht für sich werben. Französisches Fernsehen ist selten weit gereist. Eine Nase voll Koks, die Gérard Depardieu als Robert Taro gehört, in der neuen Netflix-Serie „Marseille“ sollen das ändern.

Von dem Nervenzucker braucht der noch amtierende Bürgermeister Marseilles auch das ein oder andere Quäntchen, nachdem er von seinem Protegé Lucas Barrés (Benoît Magimel) bei der Abstimmung für den Bau eines Casinos hintergangen wird und seine Zukunftspläne neu auslegen darf. 20 Jahre waren er und sein eigentlicher Nachfolger Seite an Seite in der ersten politischen Liga der französischen Hafenstadt aktiv. Aus vermeintlicher Freundschaft entwickelt sich jedoch aus zunächst nicht ersichtlichen Gründen ein immer kompromisslos werdender Machtkampf, der auch das Privatleben der Beiden nicht unversehrt lässt.

Willkommen bei „Marseille“, dem Pionier unter den europäischen Serienproduktionen für Netflix - einem Projekt mit nicht all zu geringen Ambitionen. „Marseille“ muss sich bereits nach den ersten zehn Minuten den Vergleich mit „House of Cards“ gefallen lassen und das ist kein leichter. Kann der Bär Gérard Depardieu als Bürgermeister von Marseille den Wolf Kevin Spacey als Präsidenten der Vereinigten Staaten vom Thron stoßen? Diese Frage ist nicht nur wegen des Vergleichs der politischen Positionen eine gemeine, muss sich Depardieus Rolle auch in Sachen Polarisierung Frank Underwood unterordnen. Zu zahm wirkt er. Weniger wie ein Bär, mehr wie ein Lamm, das ab und zu die Zähne fletscht.

Viel aufregender sieht es auf der Gegenseite aus. Dort steht Benoît Magimel als sein aufmüpfiger Ziehsohn Lucas Barrés, der das hinterhältige politische Spiel durch und durch verinnerlicht hat. Er ist der eigentliche Star der Serie, der Depardieu nicht nur in „Marseille“ den Rang als Bürgermeister ablaufen könnte, sondern auch den Status als französisches Schauspieö-Aushängeschild. Nach Filmen wie „Kleine wahre Lügen“ und „Crime Insiders“ krönt er seine Leistungen mit dieser Politserie, die mit ihren Intrigen, Morden und perfiden Sex-Affären allerhand abverlangt. Er meistert die Hürden und serviert dem Zuschauer nicht nur den reinen Bösewicht, sondern einen vielschichtigen Charakter, dessen Beweggründe man nachvollziehen kann.


"Ich habe Benoît Magimel gewählt, weil er der größte französische Schauspieler seiner Generation ist." - Florent Siri, Regisseur


Serienschöpfer Dan Franck (u.a. Autor des Fünf-Stunden-Epos „Carlos“) hat sich aber nicht nur von „House of Cards“ inspirieren lassen, sondern vielmehr von der Politik-Serie „Boss“, die 2011 bis 2012 für den US-amerikanischen Pay-TV-Sender Starz produziert wurde. Abgesehen von dem Fakt, dass sich die Geschichte dort um einen Bürgermeister in Chicago dreht, gibt es zum Beispiel in Form einer verheimlichten Krankheit allerhand Parallelen. Man hat sich aber auch im eigenen Land von der Muse küssen lassen.

Wenn die Franzosen nämlich etwas können, ist es Dramatik. Diese spürt man, wenn aus einem politischen Konflikt plötzlich ein klassischer Soap-Moment entsteht. Mit schrillen Geigenklängen werden sie eingeleitet und mit Paukenschlägen beendet. Wortwörtlich. So wird Taros Frau (Géraldine Pailhas) anfangs anscheinend nur mit dem Grund eingeführt, dass dem Zuschauer wegen ihres Schicksalsschlags, der sie vom Cello spielen abhalten soll, die ein oder andere sentimentale „Oohhh“-Reaktion entfleuchen könnte.  

Nach der ersten Folge muss man sich daher erst einmal fragen, ob man sich mit diesen „Gute-Zeiten-Schlechte-Zeiten“-Elementen anfreunden kann. Zum Glück werden dem Zuschauer aber letztlich mehr Argumente für, als gegen die Serie geliefert. Für das Weiterschauen wird man mit immer weniger von diesen Momenten belohnt. Als Ersatz treten dafür mehr und mehr zwielichtige politisch getriebene Aktionen auf den Plan, die ganz Marseille von den sozial schwachen Ghettos bis in die edlen Villenviertel abdecken.



„Wer aus Marseille kommt, ist verurteilt, an nichts mehr zu glauben“, schrieb Schriftsteller Gaston Leroux einmal. Düstere und passende Worte für eine Stadt, die lange Zeit als eine dreckige galt. Mittlerweile hat sie sich 2013 zur Kulturhauptstadt Europas gemausert und lässt ihre Vergangenheit in der gleichnamigen Serie dementsprechend hinter sich. Ab und zu blitzen die Problemgegenden mit ihren perspektivlosen Jugendlichen zwar auf, haben gegen die zeitintensiven Aufnahmen des wunderschönen Hafens aber keine Chance.

Dementsprechend scheitert der Versuch, auf die Probleme der französischen Problemschichten aufmerksam zu machen. Zu hastig wird dieses Thema durch altbackene Drogendeals und deren Folgen abgearbeitet, damit das Rampenlicht schnell wieder einzig und allein auf den intensiven Machtkampf in Marseilles Spitze scheinen kann. Womöglich möchte Netflix vor allem Eindruck schinden und zeigen, wie gut und poliert europäische Serien aussehen können. Viel an "Marseille" wirkt ein Stück weit gewollter als gekonnt. Authentizität schafft das nicht.


Abschließend bleibt zu sagen: Gewisse Ähnlichkeiten zu den amerikanischen Serien „House of Cards“ und „Boss“ sind nicht von der Hand zu weisen sind. Doch "Marseille" ist nicht einfach eine Adaption eines erfolgreichen amerikanischen Vorbilds, sondern ein Konzept, das auf das europäische Publikum zugeschnitten wurde. Mit „Gomorrha“, einer italienischen Mafiageschichte, hat Sky vorgemacht, wie gut dieses Vorhaben aufgehen kann. Bei "Marseille" ist es allerdings nicht ganz so gut  geglückt. In einer elektrisierenden Szene wirft Taro Barrés vor, dass er ihn und die Stadt verraten hat. "Dich vielleicht, aber nicht Marseille", kontert der. Mir stellt sich die Frage, ob Netflix nicht Marseille verraten hat. Denn schön anzusehen ist die erste komplett in Europa gestemmte Produktion sicherlich, aber irgendwie fehlt ihr etwas. Vielleicht ist es Charme.  
7.5/10